Die Suche nach dem Drama: Muss ich alte Muster ablegen, um die Qualität meiner Beziehungen zu verbessern?

Es gibt keine „richtigen“ oder „falschen“ Beziehungen – aber es gibt Veränderungen in der Art und Qualität der Beziehungen, die man ein Leben lang führt. Das ist mir im Laufe meines Beziehungslebens und im Austausch mit Freund:innen, die genauso gerne wie ich nächte- oder Corona-bedingt telefonanruflang über Zwischenmenschliches philosophieren, immer klarer geworden.

Ob das für jede:n gilt, sei mal dahingestellt – aber ich habe es schon oft erlebt und beobachtet. Klar, man ist und bleibt nicht derselbe Mensch, das nehme ich mittlerweile oft als tröstlich wahr.

„So bin ich eben“ gilt sicher für einige Bereiche, aber das Leben ändert dich und deine Muster. Wobei mir beim Wort „Muster“ langsam auch schon fad wird – dauernd wird davon geredet, welche man hat, welche man ändern will und warum sie einen immer wieder einholen.

„So bin ich eben“ gilt sicher für einige Bereiche, aber das Leben ändert dich und deine Muster“

Bei Muster denke ich an Strickmuster und dass daraus dann ein grobmaschiger Wollpulli entsteht, den wir uns immer wieder anziehen. Aber ich will auch mal was anderes tragen! Und gleichzeitig auch mal auf den kuscheligen Pulli zurückgreifen dürfen – er ist halt gemütlich und angenehm.

Vielleicht ist die Frage eher, ob wir in der Lage dazu sind, uns einen vollen und diversen Kleiderschrank zuzulegen. Und den Pulli nicht zwangsweise wieder auftrennen. Auswahl ist hier also das Stichwort, und klar, etwas zu wählen hat dann auch mit Selbstbestimmung und „Yeah, ich kann das und mache es“ zu tun.

Intensität und Drama in Beziehungen

Bei einigen Beziehungen – oder eher Beziehungsversuchen – war genau die Selbstbestimmung das, was mir gefehlt hat. Es fühlte sich nicht nach freier Wahl und bewusster Entscheidung an, sondern eher nach „Da stecke ich jetzt drin“.

Und in was ich da drinstecke, war oft ähnlich: Totale Intensität, Auseinandersetzungen, immer wieder dieses ganz dringliche Gefühl, dass es jetzt sein muss und gleichzeitig die Frage: Aber kann man so, mit diesen Ambivalenzen, denn eine Beziehung führen? Irgendwie auch Drama pur!

Und Überraschung: Es war nicht möglich, auf Dauer so eine Beziehung zu führen – das war mir dann aber meist schneller klar als meinem Gegenüber, und so wurde auch die Trennung zu einem – immerhin dann selbstbestimmten – Akt des Durchhaltens, des großen Schmerzes und Sehnsucht nach … nach was eigentlich? Nach diesem starken, intensiven Gefühl, das entsteht, wenn man sich halt sehnt, etwas nicht bekommt, es sich nur erträumt und es maximal ein bisschen schmecken kann.

Jetzt, im Nachhinein, erinnere ich mich noch gut daran, wie schlimm das für mich war. Und gleichzeitig merke ich: Bei diesen Beziehungen wurde mir der Blick verstellt. Da kam so viel von Außen – und damit meine ich jetzt nicht die Gesellschaft oder widrige Umstände, sondern, wie eine Freundin von mir es treffend beschreibt: „vorgeschaltete“ Konflikte, vorgeschaltetes Drama.

So viel davon, dass nichts zur Ruhe kommen kann und beide stabil für und mit sich selbst sein können – um sich eben dann für eine gemeinsame Beziehung zu entscheiden.

Diesen Gedanken finde ich interessant: Dass man sich freiwillig – und ja, es war ja auch geil, das ganze Intensive – in diesen Sturm begibt, die ganzen Kämpfe ausfechtet, die ganzen Gedanken hin- und herdenkt, abwägt, und es sich scheinbar extra anstrengend macht! Vielleicht muss das aber auch so. Damit man da mal durchkommt, so ein bisschen die Heldinnenreise durchmacht. Und um dann wohin zu kommen? Ja, das ist der Knackpunkt.

Abgelegte Muster und unaufgeregtere Beziehungen

Wer gedacht hat, dass einen all die Anstrengungen der Vergangenheit hin zur „erwachsenen“ (was auch immer das heißen soll, Kinder würden es wohl als „langweilig“ übersetzen) – und jetzt kommen wir wieder dazu: „richtigen“ Beziehung führt, tja, die:der hat sich leider geschnitten.

Auseinandersetzung und Konflikt, egal ob nun lautstark oder leise in sich drin, wird es wohl immer geben. Aber ich habe ab einem gewissen Zeitpunkt – und nach einigen schmerzlichen Erfahrungen – eine andere Qualität gespürt. Die war eher leise und breitete sich dann aus. Und zwar von innen nach außen.

Das ganze äußere Drumherum war auch noch oft wichtig, aber ich habe mich und meine Entscheidung gespürt, in dieser Beziehung zu sein. Das Drama musste nicht mehr so oft da sein, und wenn, war es kein Dauerzustand, sondern tatsächlich manchmal auch etwas, was zu lösen war.

„Das Drama musste nicht mehr so oft da sein, und wenn, war es kein Dauerzustand, sondern tatsächlich manchmal auch etwas, was zu lösen war.“

Insgesamt manchmal auch unspektakulärer auf eine Weise, und ein kleiner Teil von mir kennt auch das Sehnen nach dem alten Drama der Intensität. Es wird dann aber regemäßig befriedigt, wenn zuverlässig doch auch wieder Themen und Konflikte hochkommen, mit denen man sich alleine wahrscheinlich eher nicht auseinandergesetzt hätte …

Wie oft spreche ich mit Freundinnen darüber, spaßhaft und stöhnend, wie viel einfacher es ohne Beziehung doch wäre. So ganz ernst gemeint ist das wohl nicht, aber ein Stück weit wird man eben doch immer wieder mit sich selbst konfrontiert, in diesem nahen Zusammensein mit einer anderen Person. Und das will ich ja auch.

Was ich auch will: Mich verändern dürfen. Mir etwas Neues zum Anziehen holen (oder nähen, wenn ich das könnte), meinen Stil auch mal ändern. Und wenn alles zu viel wird, den alten Pulli rausholen und mich noch eine Weile darin einkuscheln.

Dieser Text ist bei imgegenteil.de erschienen