„Mama, was ist eigentlich Sex …?“

Sexualität ist ein Thema, das schon die Kleinsten angeht und interessiert. Und das sagen und zeigen sie auch deutlich. Anders als Erwachsene zwar, aber auch sie haben schon früh ganz spezifische Fragen, die sich teils aus dem Alltag ergeben: Wie kommen die Babys in den Bauch? Was ist Sex? Was heißt schwul? Wer auf Fragen wie diese intuitiv aus dem Bauch heraus antwortet, liegt meistens richtig. Dennoch ist es manchmal gar nicht so einfach, passend und unverkrampft zu antworten.

Klare Antworten müssen her

Dabei wollen Kinder keine langen Vorträge über Bienen und Blümchen, sondern vor allem eins: klare, verständliche Antworten. Diese darf man ihnen ruhig geben, denn das Thema Sexualität und das neugierige Entdecken und Spüren des eigenen Körpers (ja, Teil davon sind auch die Geschlechtsteile) gehören nun einmal von Anfang an zum Leben dazu. Wünscht man sich, dass das eigene Kind zu einem selbstbestimmten Menschen mit positivem Körperbild und einem guten Umgang mit Grenzen heranwächst, dann ist es auch wichtig, ein Wissen und eine Sprache über Sexualität zu haben. Sätze wie „Das erkläre ich dir, wenn du alt genug bist“ oder „Der Storch bringt die Kinder“ sind nicht zielführend und drücken nur die eigene Verunsicherung mit dem Thema aus, statt den Kindern zu helfen. Ein guter Anlass, sich selbst zu fragen: „Ist es mir unangenehm, Sex zu erklären? Und wie mache ich das am besten?“

Bewusst nicht nur von Mann und Frau sprechen

Ua bin ich als Sexualpädagogin zugegebenermaßen im Vorteil: Ich rede täglich mit Kindern und Jugendlichen über alles rund um Liebe, Sex und Körperlichkeit und habe schon viele interessante und ausgefallene Fragen gehört. Was tatsächlich nahezu alle irgendwann interessiert: woher die Babys kommen und was das Wort Sex bedeutet. Darauf antworte ich meist so:

Eine nicht unerhebliche Rolle dabei spielt auch der Beckenboden, eine dreischichtige Muskelgruppe, die auch um die Vagina herum liegt. Wenn diese erregt ist, wird der Beckenbodenmuskel ganz weich – auch ein Grund, warum nichts wehtut beim Sex und im Umkehrschluss häufig auch der Grund, WARUM etwas wehtun kann: Dann nämlich, wenn die Scheide noch nicht erregt genug ist und der Beckenbodenmuskel noch angespannt.

„Wenn zwei Menschen ganz doll Lust aufeinander haben, dann wollen sie sich ganz nahe sein, sich küssen, überall streicheln. Bei den beiden fängt es dann im ganzen Körper an, angenehm zu kribbeln. Auch in ihren Geschlechtsteilen, also der Scheide oder dem Penis.

Ich spreche bewusst nicht automatisch von Mann und Frau, denn Sex ist nun mal in jeder Kombination möglich. Außerdem ist mir wichtig zu vermitteln, dass es für beide ein sehr schönes Gefühl ist (Sex = gutes Gefühl im Körper). Viele beginnen ihre Erklärung mit „Wenn sich zwei Menschen sehr lieb haben/lieben…“, doch wenn man ehrlich ist, ist das nicht korrekt. Für Sex und fürs Kinderbekommen ist Liebe keine Voraussetzung (aber natürlich oft eine schöne Zugabe). Das darf man Kindern auch so weitergeben. Sex = Liebe ist keine Gleichung, die immer aufgeht. Sex = gutes, kribbeliges, lustvolles Gefühl im Körper schon. Daher sage ich:

Bei Frauen wird dann die Scheide ganz feucht und weit, und bei Männern wird der Penis steif. Und manchmal, wenn beide Lust haben und ein Mann und eine Frau das zusammen machen, dann kann die Scheide den Penis aufnehmen, er gleitet da hinein. Dann bewegen sich beide, und irgendwann kommt aus dem Penis etwas heraus, das heißt Sperma. Wenn dieses Sperma tief in die Frau hineinkommt, kann ein Baby entstehen.“

Bei den Fakten bleiben – und nicht zu sehr ins Detail gehen

Kinder dürfen wissen, dass der Penis in die Scheide gleiten kann und eine Scheide (übrigens nicht passiv, sondern aktiv, indem sie sich weitet und weich und feucht wird) in der Lage ist, den Penis aufzunehmen. Die Aussage „Sie legen sich aufeinander, und dann entsteht ein Baby“ ist einfach zu ungenau und entspricht nicht der Wahrheit. Faktisch korrekt zu bleiben, aber trotzdem nicht zu sehr in komplizierte Details zu gehen, ist manchmal gar nicht so einfach: So kann man beispielsweise auch das Verschmelzen von Sperma und Eizelle thematisieren – für kleine Kinder ist das aber oft nicht relevant. Manche Kinder fragen vielleicht auch nach dem Orgasmus. Dann könnte man sagen, dass sich das kribbelige, gute Gefühl im ganzen Körper steigert und immer stärker wird und sich irgendwann wie ein kleiner Vulkanausbruch auflöst. Dann ist man ganz entspannt und macht danach wieder etwas anderes als Sex.

Nicht alle Babys entstehen durch Sex

Gerade wenn Kinder zu Hause zwei Mütter oder zwei Väter haben, ist es für sie natürlich wichtig zu wissen, wie sie entstanden sind und dass es auch anders geht als durch Sex zwischen Frau und Mann. Dass das Sperma in den Körper der Frau gelangen muss, bleibt gleich. Aber dass dieses zum Beispiel auch von einem Samenspender kommen kann, oder dass Sperma und Eizelle außerhalb des Körpers zusammengebracht und dann eingesetzt werden können, kann man ebenso erzählen wie von der Möglichkeit, ein Kind zu adoptieren. Es kommt stark auf die Bedürfnisse des Kindes an, welche Infos gerade wichtig sind und etwas mit der eigenen Lebensrealität zu tun haben. Ein halbstündiger Vortrag über alle Arten der Befruchtung ist genauso wenig sinnvoll wie die immerwährende Beschränkung auf Mann + Frau = Baby.

Ein offener Umgang lohnt sich

Das Wichtigste bei der Beantwortung aller Fragen bleibt: Freut euch, dass ihr Ansprechpartner eures Kindes seid. Und traut euch zu antworten. Das muss nicht immer perfekt sein. Es ist auch völlig okay, mal mit „Puh, da weiß ich gerade gar nicht, wie ich dir das erklären soll“ zu beginnen und sich dann ein paar Gedanken zu machen. Denn die Gedanken lohnen sich: Einen offenen Umgang mit Sexualität zu etablieren und eine gemeinsame Sprache darüber zu finden, gibt eurem Kind eine Kompetenz an die Hand. Und je mehr Kompetenzen im Bereich Körper, Spüren und Sexualität euer Kind sammelt, desto selbstbestimmter und -bewusster wird es durchs Leben gehen.

Dieser Text ist bei Leben & Erziehen erschienen